Müller, Zu Gast im Zürcherland
Wem hat nicht schon, nach langer Wanderung oder kurzem Spaziergang, eine zürcherische «Sonne» entgegengelacht, ein «Sternen» zugeblinkt – oder wer kennt nicht das Behagen, nach leicht enervierender Fahrt in einer Autokolonne, die Füsse unter dem Tisch eines «Rössli» oder «Hirschen» auszustrecken und das Geschnetzelte mit Rösti oder den «Schüblig aus eigener Metzg» zu erwarten?
Gallus Rutz ist ihnen nachgegangen, den währschaften Gasthöfen im Zürcherland – jenen Häusern, in deren Stube oder Gartenwirtschaft man sich für eine Weile geborgen fühlt und als Gast {und nicht bloss als Kunde} begrüsst wird. Von den über 160 Wirtshäusern, deren Mehrzahl er in den Jahren 1972 und 1973 besucht hat, wählte er 102 Beispiele für unser Buch aus. Er hat vor allem Häuser porträtiert, in denen schon lange – meist schon seit Jahrhunderten – gewirtet wird und die zudem seinem aufs Malerische der Architektur ausgerichteten Blick besonders entsprachen.
Im Gegensatz zu Kirchen und Feudal bauten, die ihrer ursprünglichen Funktion im Lauf der Zeit häufig entfremdet wurden, haben die meisten Gasthäuser in der zürcherischen Landschaft ihren Sinn bewahren können. Sie sind immer noch Zentren des geselligen und politischen Lebens, und viele von ihnen gleichen einem Gemeinde-Forum, auf dem geredet, geschimpft, paktiert, intrigiert – und gegessen und getrunken wird. Sollte der Textautor 102mal die Leistungen von Küche µnd Keller würdigen? Er glaubte, von einigen Ausnahmen abgesehen, darauf verzichten zu können. Den Rahmen zu schildern, den ein Gasthaus abgibt, war ihm wichtiger, als so etwas wie eine Rangliste von Speisen und Getränken aufzustellen – Ranglisten mögen ihren Sinn an sportlichen Veranstaltungen haben, den Gaststätten im ursprünglichen Sinn können sie nicht gerecht werden. Unterhaltender und auch neuartiger schien es, zu erzählen von der Geschichte eines Hauses, von seiner Umgebung, von Besuchern und einstigen Bewohnern, von all dem, was zu seiner Biographie gehört und sein heutiges Gesicht mitgeprägt hat. So ist eine Art kleiner kantonaler Heimatkunde aus Wirtshausperspektive entstanden – ein Buch, das erstmals zeigt, welch wesentlichen Teil unsere Gasthöfe im kulturellen Erbe des Kantons Zürich darstellen.
Vor allem aber soll es Bewohner und Besucher dieses Kantons zu dem verlocken, was mit dem Titel gemeint ist: als «Gast im Zürcherland» Entdeckungen zu machen und alte Häuser mit neuen Augen zu sehen.
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